Mehr als ein süßes Foto – Chancen und Herausforderungen mit Hunden aus dem Auslandstierschutz
- Celina Nissen
- 20. Sept.
- 6 Min. Lesezeit
Als Hope ankam, hatte sie Angst vor fast allem. Türen, fremde Stimmen, sogar das leise Knistern einer Plastiktüte ließen sie erstarren. Sie kam aus einem Shelter in Rumänien, wo sie ihre ersten Jahre in einem Zwinger verbracht hatte.
Hope nannten sie ihre Besitzer, weil jetzt ihre Hoffnung auf ein neues glückliches Leben in Erfüllung gehen sollte.
Die ersten Schritte in Deutschland waren für sie eine Reise ins Unbekannte. Doch nach einigen Wochen begann sie, sich zu öffnen und immer mehr Vertrauen zu fassen – sie legte den Kopf auf die Knie ihrer neuen Halterin, als wollte sie sagen „Jetzt bin ich angekommen“.
So oder so ähnlich wünschen sich viele das Ende einer Adoption aus dem Auslandstierschutz. Der Gedanke einem Hund ein neues und womöglich besseres Zuhause zu schenken treibt uns an. Solche Geschichten, berühren uns, weil es um echte zweite Chancen geht, weil wir die Bilder sehen, wie die Hunde zum Teil durch die Stäbe der Zwinger schauen und weil wir diejenigen sein wollen, die die Hunde retten. Doch bei aller Emotion: Adoption bedeutet Verantwortung und echtes Hinschauen. Und genau darum geht es in diesem Artikel:
Wie erkennst du einen seriösen Verein?
Welcher Hund passt zu dir und in dein Leben?
Welche rechtlichen und gesundheitlichen Themen sind wichtig?
Wie kannst du deinem Hund die Eingewöhnung erleichtern
Warum Hunde aus dem Auslandstierschutz uns so bewegen
Viele Hunde aus Süd- oder Osteuropa leben auf der Straße. Zum Teil wurden sie dort geboren, andere wiederum wurden ausgesetzt. Aber eines haben sie gemeinsam: Sie alle kämpfen täglich ums Überleben. Als Touristen kommen wir oft an diese Orte und bekommen Mitleid, weil wir dieses Bild nicht gewohnt sind und so kommt schnell der Gedanke auf, den Hunden ein bessere Zuhause schenken zu wollen.
Chancen einer Adoption:
Du gibst einem Hund eine zweite Chance – vielleicht sogar die erste in seinem Leben.
Auslandshunde entwickeln oft eine tiefe Bindung, wenn sie Vertrauen gefasst haben.
Du unterstützt zugleich auch Tierschutzarbeit direkt vor Ort.
Aber auch Realitäten:
Ein Hund, der nie gelernt hat im Haus zu leben, kennt keine Stubenreinheit, keine Treppen und auch keine Haushaltsgeräusche.
Viele Hunde bringen Ängste oder auch schlechte Erfahrungen mit. Andere Hunde haben wiederum nie etwas kennenlernen dürfen und haben genau deshalb Angst.
Die Hunde können Krankheiten mitbringen wie Leishmaniose oder Ehrlichiose.
Die Eingewöhnung gleicht selten einem Sprint – sie ist meist mehr ein Marathon.
Foto-Falle Tierschutzhund – Nicht jeder süße Hund ist ein Match
Wer kennt es nicht? Man scrollt durch die Vermittlungsseiten und plötzlich bleibt der Blick hängen. Ein tapsiger Welpe mit Knopfaugen, ein wuscheliger Hund mit süßen Löcken oder ein Hund der aussieht wie ein Rassehund – und sofort schlägt das Herz höher.
Doch das, was wir auf einem Foto sehen, ist nur die Oberfläche.
Denn der süße Welpe kann zu einem großen Hund werden aber auch zu einem energiegeladenen, selbstbewussten Junghund werden, der dich stark fordern wird. Der flauschige Hund kann sich als unsicher und misstrauisch erweisen, der lange braucht, um Nähe zuzulassen. Und der vermeintliche Rassehund, der vielleicht aussah wie ein Golden Retriever, kann sich als klassisch ausländischer Dorfhund entwickeln, in dem eigentlich gar keine Rasse steckt oder aber auch ein Herdenschutzhund sein, welcher ganz andere genetische Anlagen mitbringt, die in diesem Fall meist überfordern.
So kann das Äußere täuschen, weswegen der Hund nicht wegen seines süßen Aussehens gewählt werden sollte, sondern weil sein Charakter und seine Bedürfnisse zu deinem Leben passen.
Den richtigen Verein finden – dein sicherer Hafen
Die Basis jeder Adoption ist der Verein. Ein guter Verein schützt nicht nur die Hunde, sondern auch dich als Adoptanten. So sollte ein Verein nicht wahllos seine Hunde vermitteln, sondern wirklich hinschauen, ob Hund und Mensch auch zusammenpassen könnten. Ein guter Verein kann dir viel zum Wesen deines Wunschhundes sagen und er wird vor allem nicht versuchen dir um jeden Preis den Hund zu vermitteln. Aber genauso ist ein guter Verein auch für dich da und das auch noch nach der Vermittlung. Aber kommen wir mal zu ein paar wichtigen Fakten:
Jede Organisation, die Hunde nach Deutschland vermittelt, sollte eine Erlaubnis nach § 11 des deutschen Tierschutzgesetzes besitzen. Das gilt besonders, wenn Tiere eingeführt oder vermittelt werden.
Für die Einfuhr sind konkrete Dokumente nötig: ein mikrochip-registriertes Tier, ein EU-Heimtierausweis sowie ein Nachweis über eine gültige Tollwutimpfung. Ohne diese Papiere ist eine legale Einfuhr nicht möglich.
Gesundheit: Tests, versteckte Krankheiten und warum Vor-Checks wichtig sind
Viele Hunde aus dem Ausland sehen äußerlich gesund aus – aber einige Krankheiten zeigen sich erst später oder sind latent vorhanden. Besonders relevant sind die sogenannten Mittelmeerkrankheiten wie Leishmaniose, Ehrlichiose, Babesiose, Dirofilariose und andere, die durch Flöhe, Mücken oder andere Parasiten übertragen werden. Diese Krankheiten können chronisch verlaufen und erfordern oft lebenslange Betreuung oder spezielle Therapien. Dein Hund sollte, sofern er alt genug ist, definitiv vor der Ausreise gecheckt werden. Denn diese Krankheiten können chronisch verlaufen und erfordern oft lebenslange Betreuung oder spezielle Therapien.
Ein weiteres Thema sind Parasiten: Unbehandelte Würmer, Giardien oder äußere Parasiten können gesundheitliche Probleme verursachen und, je nach Erreger, auch Menschen gefährden. Eine Entwurmung, Floh- und Zeckenschutz sowie ein gründlicher tierärztlicher Check in der ersten Woche sind daher sehr ratsam.
Transport und Ankunft – die Reise ins neue Zuhause
Stundenlang geht der Transport oft in das neue Zuhause. Zum Teil ist es die erste Fahrt für die Hunde. Pausen zum Lösen gibt es nicht, denn das wäre viel zu gefährlich. Der Transport ins neue Zuhause bedeutet also jede Menge Stress.
Sichere deinen Hund bei Abholung am besten doppelt ab, das heißt mit Sicherheitsgeschirr und Halsband, damit er nicht vor lauter Panik entkommen kann bei der Übergabe.
Plane den Ankunftstag ohne Hektik und lasse den Hund erstmal ankommen, denn für ihn ist alles neu und einige Hunde haben ein Haus noch nie von innen gesehen.
Die erste Woche – Rituale statt Aktionismus
Die ersten Tage heißt es ankommen und verarbeiten sowie sich aneinander und an bestehende Rituale zu gewöhnen. Hast du einen Hund der so ängstlich ist, dass er sich am liebsten nur verkriechen möchte, gib ihm nicht unbedingt „die Zeit, die er braucht“ um aus sich herauszukommen, sondern gehe vorsichtig immer wieder mit ihm in Kontakt ohne ihn zu sehr zu bedrängen und zu überfordern.
Viele Hunde, die aus dem Ausland kommen, stinken sehr bei der Ankunft, das sollte nicht unterschätzt werden. Hier kann der Hund auf jeden Fall geduscht werden oder mit nassen Lappen abgerieben werden.
Schaffe gleich zu Beginn Routinen für das Zusammenleben, damit der Hund durch die wiederkehrenden Abläufe an Sicherheit gewinnt. So gibt es Futter zur gleichen Zeit, der Hund lernt, dass er sein Geschäft draußen statt drinnen erledigen soll, gewöhne ich langsam an Umweltreize und halte die Spaziergänge eher ruhig und kleiner.
Was später kommen kann – Probleme, die sich erst zeigen
Viele Themen treten nicht sofort auf, sondern entwickeln sich mit der Zeit und durch Vertrauen.
So entwickelt sich der ängstliche Hund Stück für Stück zu einem mutigen und lebensfrohen Begleiter.
Aber es kann auch anders laufen. So können manche Hunde nach Wochen und Monaten noch unerwartete Angstreaktionen zeigen, Geräusche, Kindergruppen, Untergründe etc. all das können Einflüsse sein, die den Hund wieder aus der Bahn werfen. Durch solche Themen müsst ihr nicht alleine durch. Holt euch Hilfe durch einen erfahrenen Hundetrainer, der euch Stück für Stück begleiten wird, damit der Hund seine Ängste ablegen kann.
Einige Hunde neigen jedoch auch dazu, weil sie im Tierheim oder auf der Straße um Futter oder andere Ressourcen kämpfen mussten, eine Aggression zu entwickeln und so zum Beispiel den Futternapf zu verteidigen.
Meistens haben die Hunde, die aus dem Ausland kommen, nicht gelernt alleine zu sein und einige kennen das Leben ohne andere Hunde nicht, geschweige denn das Leben im Haus. Das Alleinebleiben kann hier sehr schwer fallen und der Hund kann eine starke Verlustangst entwickeln.
Bei all den Themen, die Hunde aus dem Auslandstierschutz mitbringen können und die auch zur Überforderung beim Halter führen können, ist es ratsam, lieber früher als zu spät einen guten Hundetrainer aufzusuchen, welcher mit euch einen Trainingsplan erstellt und euch begleitet.
Ein letzter ehrlicher Appell
Den Wunsch, einem Hund aus dem Auslandstierschutz ein neues Zuhause zu bieten, womöglich sogar das erste überhaupt, ist etwas, was viele antreibt. Aus eigener Erfahrung mit meinen Hunden aus dem Auslandstierschutz, sowie durch die Arbeit mit Tierschutzhunden, kann ich sagen, die Entwicklung zu sehen und sehen zu können, wie diese Hunde ankommen, ist das Schönste überhaupt und für mich jede Mühe wert.
Und dennoch: man sollte realistisch bleiben, denn Hunde aus dem Ausland bringen eine Vergangenheit mit. Nicht unbedingt eine schlechte. Es gibt auch Hunde, die einfach nie etwas sehen und erleben konnten, weil sie zum Beispiel im Zwinger groß geworden sind. Diese Hunde sind nicht ängstlich, weil sie so viel schlechtes erfahren haben, sondern weil sie oft gar nichts erfahren haben. Dir muss also bewusst sein, dass hinter einer Adoption eine Menge Arbeit stecken kann bis das Vertrauen wächst und die Sicherheit und die Verbindung entsteht.










































Kommentare